Bildlegende:
So hat es anno 1850 ausgesehen. Kurz zuvor wurde die Aargauerstrasse erbaut. Ganz links angeschnitten das Haus ehem. Rebsamen vis à vis Restaurant Sennerei und rechts ebenfalls angeschnitten das Haus Rötheli, heute Linus Meier.
Gastbeitrag im Anzeiger für das Michelsamt, 25.2.2021
Badgass-Idylle
An der Badgass, vis à vis Mode-Wicky, steht ein Haus, dessen
Ansicht wahrlich kein Bijou mehr ist. Die kaputten Fensterläden, wo noch
vorhanden, sind seit Monaten geschlossen oder baumeln absturzgefährdet in den
Angeln. Die Gärten sind voller Unrat, Unkraut und Dreck. Passt das ins Ortsbild
von nationaler Bedeutung? Diese schäbige Unterkunft bietet einigen Romas, die aus
osteuropäischem Kulturkreis stammen, ein Zuhause. Schlimm und verwerflich dünkt
mich, dass die zuständige Hausverwaltung und der Eigentümer bewusst diese
Liegenschaft in der Kernzone von Beromünster aus Spekulationsgründen verlottern
und verkommen lassen.
Das Haus, etwa 400-jährig, gehört zu den ältesten Gebäuden unserer Ortschaft und ist auf mehreren Kupferstichen abgebildet. Den Fleckenbrand von 1764 hat es schadlos überstanden, obwohl das Feuer ganz nahe davon ausbrach, sich wegen dem starken Nordwind aber nur gegen den Flecken ausbreitete und dort dann alles zerstörte.
Über die Bewohner von damals konnte ich nicht viel erfahren. Aber um 1800 wohnte dort Uhrenmacher Bernhard Rötheli. Er war auch noch Pintenwirt. In diesem Gasthaus kamen oft die Rosshändler zusammen und es wurde hier besonders Schnaps gewirtet. An der Fasnacht und an der Kilbi oder wann immer es hoch zuging, nahm der Sohn Othmar sein Klarinett hervor und Vater Beni schlug dazu die grosse Trommel. Bei all dem hörte man nichts von Schlägereien, sondern alles verlief innert den Schranken des Anstandes und des Polizeiamtes. So erinnert sich der Schriftsteller und Chorherr F.X. Herzog an dieses alte Hotel. Später zügelten die Röthelis in den unteren Flecken und eröffneten dort das Wirtshaus Rosengarten.
Ich erinnere mich, um 1960 wohnte hier Frau Jäggi, eine gute Sopranistin im Stiftschor. Sie betrieb Fusspflege und pflegte auch ihren schönen Garten vor dem Haus. Hugo, ihr Sohn, ist dort aufgewachsen. Er wurde Geschichtslehrer an der Kantonsschule Beromünster. Später bewohnten dieses Haus Herr und Frau Brun-Anderhub. Sie führte zuvor einen Krämerladen gegenüber der jetzigen Chäsi (zuletzt Papeterie Schmidiger), und er war Störmetzger und Kaninchenzüchter.
Das Haus in der Badgass hat ein sehr weitausladendes Dach.
Die Untersichten stammen aus barocker Zeit. Giebelseitig sind noch zwei
Klebedächer vorhanden. Der für Beromünster so typische Krüppelwalm wurde wohl später
bei einer Dachsanierung weggelassen. Mehrere solche gleichartige Bauten finden
wir im Chorherrenstift und anderswo in Alt-Möischter.
Ein zweites ganz ähnliches Haus steht angrenzend und nur drei Schritte entfernt. Die letzten Besitzer waren Max und Käthi Dolder, Sattlerei. Dieses Haus wurde um 1900 umgebaut. Das einst ebenfalls weitausragende Dach wurde dazumal ziemlich gestutzt und die Klebedächer und die Krüppelwalme wurden leider nicht wieder hergestellt. Noch immer sind aber die Spuren dieses ebenfalls etwa 400-jährigen Gebäudes gut erkennbar.
In den letzten Jahren wurden mehrere Häuser in Beromünster fachgerecht und mustergültig restauriert. Das Chorherrenstift, die Korporation und Privatpersonen haben viel Geld für die Erhaltung von Schönem und Althergebrachtem aufgewendet. Die obere und die mittlere Schmitte, der alte Polizeiposten hinter dem Hirschen, die Farb und das Strebelhuus in der Gärbigass sind nur einige von vielen Beispielen. Nicht zu Unrecht brüstet sich Beromünster mit dem Label Alte Kulturstätte mit Ortsbild von nationaler Bedeutung. Leider ist manchen Leuten gar nicht bewusst, welch architektonische Einmaligkeit wir eigentlich besitzen.
Die beiden von mir erwähnten Häuser an der Badgass gehören optisch zum Ortskern. Sie bilden mit anderen Bauten den nördlichen Eingang und geleiten in die geschlossene Siedlung. Charakteristisch ist die bescheidene Zurückhaltung, welche sie durch ihre Kleinmassstäblichkeit auszeichnet. Die lose Bauweise mit samt ihren Vorgärten ist als Kulturgut erhaltenswert. Die geschichtsträchtigen Häuser einfach abzureissen und den Platz mit einem unpassenden und gar überdimensionierten Renditenobjekt zu verschandeln, ist moralisch sträflich. Die alten Häuser haben vier Jahrhunderte überdauert, Generationen wertschätzten sie. Die heutige Generation setzt sich darüber hinweg und meint: Das Haus ist nichts wert, es muss weg. Der einfache Satz bringt es auf den Punkt, wenn sie weg sind, dann sind sie unwiederbringlich verloren. Ich wünschte, der Gemeinderat und die Baukommision samt Denkmalpflege pflichten mir bei.
Ludwig und Elsbeth Suter-Brun
Annabarbara Suter und Darius Strasky, Architekten
Nathalie Wey, Kunsthistorikerin